Matera ist eine der faszinierendsten Städte Europas – eine Stadt, die so alt ist wie die Zivilisation selbst, und doch voller Leben, Wandel und Hoffnung steckt. Tief im Süden Italiens, in der Region Basilikata, liegt dieses archaisch anmutende Juwel, das jahrhundertelang im Schatten bekannter Metropolen wie Rom, Florenz oder Venedig stand. Doch wer einmal durch die engen Gassen von Matera geschlendert ist, zwischen Felsenwohnungen und Höhlenkirchen, zwischen stiller Vergangenheit und vibrierender Gegenwart, versteht schnell, warum dieser Ort seit einigen Jahren so viele Menschen in seinen Bann zieht.
Matera – die Stadt, die in den Stein gemeißelt ist
Das erste, was einem beim Anblick von Matera auffällt, ist die Unwirklichkeit der Szenerie. Die Stadt scheint nicht gebaut, sondern in die Landschaft gemeißelt zu sein. Die sogenannten „Sassi“, das Herzstück von Matera, bestehen aus einer Vielzahl uralter Höhlenwohnungen, die teilweise direkt in den Kalkstein gegraben wurden. Diese Wohnstrukturen gehören zu den ältesten noch bewohnten Siedlungen der Welt – Archäologen datieren die Ursprünge auf bis zu 9.000 Jahre zurück. Kaum ein Ort in Europa bietet ein vergleichbares Zeugnis kontinuierlicher menschlicher Besiedlung.
Die Sassi di Matera sind dabei weit mehr als ein architektonisches Kuriosum. Sie erzählen Geschichten von Überleben, Anpassung, Armut, Glauben und schließlich von Wiederentdeckung und Stolz. Bis in die 1950er Jahre galten die Höhlenwohnungen als Symbol rückständiger Lebensverhältnisse. In dunklen, feuchten Räumen lebten Menschen mit ihren Tieren zusammen, ohne Wasseranschluss oder Strom. Der italienische Staat erklärte matera damals zur nationalen Schande – ein Stigma, das sich tief in das kollektive Gedächtnis der Region eingebrannt hat.
Vom Schandfleck zur Weltkultur: Die Wiedergeburt von Matera
Doch die Geschichte von matera ist keine Geschichte des Verfalls – sondern eine der Auferstehung. In den 1980er Jahren begannen Künstler, Architekten und Historiker, das einzigartige Kulturerbe zu schätzen. Langsam wuchs das Bewusstsein für den kulturellen Wert der Sassi. 1993 wurde matera von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt – ein Meilenstein in der langen Geschichte der Stadt. Dieser Schritt markierte nicht nur den Beginn einer neuen Wertschätzung, sondern auch den Startschuss für eine umfassende Restaurierung.
Heute sind viele der alten Höhlenwohnungen in liebevoll restaurierte Hotels, Museen, Galerien und Restaurants umgewandelt worden. Besucher aus aller Welt erleben matera als ein einzigartiges Zusammenspiel aus archaischer Architektur und modernem Lebensstil. Die Stadt ist ein Paradebeispiel für nachhaltigen Tourismus, bei dem kulturelle Identität bewahrt und gleichzeitig wirtschaftliche Perspektiven geschaffen werden.
Matera als Filmkulisse: Hollywoods geheime Liebe
Die besondere Atmosphäre von matera hat auch internationale Filmproduktionen auf den Plan gerufen. Schon in den 1960er Jahren wurde die Stadt als biblische Kulisse für Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium – Matthäus“ genutzt. Später entstanden hier Szenen für Mel Gibsons „Die Passion Christi“, und jüngst auch für den James-Bond-Film „No Time To Die“. Die felsige Struktur, das Licht, die urtümliche Szenerie – all das macht matera zu einem perfekten Ort für dramatische, mystische und emotionale Erzählungen.
Doch matera ist mehr als nur Kulisse. Die Stadt spielt selbst eine Rolle – nicht nur im Film, sondern im Leben derer, die sie besuchen. Sie zwingt zur Reflexion, zur Entschleunigung, zum Staunen. Wer durch die Sassi wandert, wird Teil einer Geschichte, die älter ist als Nationen, Religionen oder Königreiche. Es ist eine stille, steinerne Poesie, die hier wirkt.
Die kulturelle Bedeutung von Matera in Süditalien
Matera steht symbolisch für den tiefen Süden Italiens – eine Region, die lange vernachlässigt, unterschätzt oder gar verachtet wurde. Doch gleichzeitig ist Matera Ausdruck der Widerstandskraft und des kulturellen Reichtums, der in dieser Region schlummert. Die Basilikata ist arm an Industrie, aber reich an Traditionen, Natur und Geschichte. In matera verdichtet sich dieses Erbe auf eindrucksvolle Weise.
Die Wahl von Matera zur Europäischen Kulturhauptstadt 2019 war ein weiterer Wendepunkt. Es war nicht nur eine Anerkennung für die Stadt selbst, sondern auch ein politisches und kulturelles Signal. Der „vergessene Süden“ bekam eine Stimme, eine Bühne, eine Chance. Zahlreiche Ausstellungen, Theaterproduktionen, Festivals und Kunstaktionen machten die Stadt zu einem lebendigen Zentrum des kulturellen Dialogs – weit über die Jahreszahl hinaus.

Spiritualität und Glaube – Die religiöse Dimension von Matera
Wer matera besucht, kommt an der spirituellen Dimension der Stadt nicht vorbei. In den Felsen sind über hundert Felsenkirchen verborgen – manche schlicht, andere reich verziert mit byzantinischen Fresken. Sie sind Zeugnisse eines tief verwurzelten Glaubens, der in die Landschaft eingewoben ist. Besonders beeindruckend ist die Felsenkirche Santa Maria de Idris, die auf einem Felsen thront und von weitem sichtbar ist.
Religion in matera ist nicht laut, sondern leise – sie liegt in den Steinmauern, in den Höhlen, in der jahrtausendealten Verbindung von Mensch und Natur. Viele der Kirchen wurden erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt und restauriert. Sie erzählen von Mönchen, Eremiten, Bauern und Familien, die in einer kargen, aber spirituell reichen Welt lebten.
Leben in Matera heute: Zwischen Tradition und Moderne
Trotz der touristischen Beliebtheit ist matera kein Freilichtmuseum. Die Stadt lebt – und zwar mit all ihren Widersprüchen. Alteingesessene Familien leben neben digitalen Nomaden, Kunstschaffende treffen auf Bäuerinnen, Tech-Start-ups auf Eselskarawanen. Dieser Kontrast ist manchmal herausfordernd, oft aber auch bereichernd.
Der Alltag in matera ist geprägt von kleinen Cafés, Wochenmärkten, Werkstätten und Gesprächen auf der Straße. Man kennt sich, man grüßt sich – die Gemeinschaft ist stark, auch wenn der Tourismus neue Dynamiken schafft. Besonders junge Menschen engagieren sich in Kulturinitiativen, nachhaltigen Projekten und sozialen Unternehmungen. Matera wird so zu einem Labor für eine neue, bewusste Lebensform im ländlichen Raum.
Die Landschaft um Matera – Naturerlebnis und archäologische Schätze
Auch das Umland von matera ist reich an Entdeckungen. Die Murgia-Hochebene mit ihren Canyons, Höhlen und Grotten ist ein Paradies für Wanderer und Naturliebhaber. Die schroffe Schönheit der Landschaft steht in starkem Kontrast zu den oft überlaufenen Küstenregionen Italiens. Hier kann man stundenlang wandern, ohne einem Menschen zu begegnen – dafür mit Adlern, Wildblumen und uralten Felsmalereien.
Zahlreiche archäologische Stätten belegen die lange Besiedelung der Region. Einige der ältesten Fundorte Italiens liegen nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt. Die Verbindung von Natur und Geschichte ist in matera nicht theoretisch, sondern konkret erfahrbar.
Kulinarik in Matera – Einfachheit mit Tiefgang
Auch kulinarisch bietet matera eine ganz eigene Identität. Die Küche ist schlicht, aber tief verwurzelt in bäuerlicher Tradition. Brotsuppe, Linsen, Hartweizenpasta, Peperoni, Olivenöl – die Zutaten sind einfach, doch die Zubereitung folgt uralten Regeln. Besonders berühmt ist das „Pane di Matera“, ein Brot mit harter Kruste und charakteristischer Form, das seit Jahrhunderten nach demselben Verfahren gebacken wird.
Essen in matera ist kein Konsum, sondern Kultur. Man isst langsam, mit Bedacht, in Gesellschaft. Viele Restaurants setzen auf regionale Produkte, kleine Bauernhöfe liefern direkt an die Küchen. Auch das ist Teil der Renaissance von Matera – eine Rückbesinnung auf Qualität, Identität und Nachhaltigkeit.
Fazit: Matera als Symbol einer neuen kulturellen Bewegung
Matera ist viel mehr als ein Reiseziel. Es ist ein Ort, der nachhallt – in den Gedanken, in den Bildern, im Herzen. Die Stadt zeigt, dass auch vergessene Orte zu Leuchttürmen werden können, wenn man ihr Potenzial erkennt. Sie verbindet Geschichte mit Gegenwart, Spiritualität mit Innovation, Stein mit Leben.
Wer matera besucht, betritt nicht nur eine Stadt, sondern eine Erzählung. Eine Erzählung, die uralt ist und gleichzeitig ganz neu – voller Stolz, Schmerz, Hoffnung und Wandel. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, ist matera ein Ort des Innehaltens, ein Ort der Tiefe, ein Ort der Wiederentdeckung.